Ursula Kosser, Journalistin, über ihr Buch „Hammelsprünge- Sex und Macht in der in der Bonner Republik"
Das Buch ist leider vergriffen und kann noch über Frau Kosser direkt bezogen werden. Ein weiteres Buch: „Stell auf den Tisch die letzten Rosen" (zwei Frauenleben im 20. Jahrhundert) und ganz aktuell ist erschienen „die wundervolle Welt der Pfützen".
Frau Kosser ist Bonnerin – hat früher in Norbert Blüms Garten Kirschen gegessen und ... dadurch leichter einen Interviewtermin bekommen. Konrad Adenauer feierte im Elisabeth Krankenhaus seinen Geburtstag - Ursula hat als Kind ihm einen Blumenstrauss überreicht. Die rechte Hand war nass – sie hat íhm die linke Hand gegeben. Das war ihr erster Kontakt mit Politikern.
Politiker in Bonn lebten wie in einem Raumschiff, es gab noch keine Mobiltelefonie oder social Media. Herr Kubicki sagte damals – ich werde nie Politiker, sonst werde ich Alkoholiker oder betrüge meine Frau – um seine Abneigung gegen den Politikbetrieb im kleinen Bonn auszudrücken.
Totale Männergesellschaft. Es kam eine Gruppe von Frauen (Babyboomer) und wollte als Journalistinnen mitmachen. Hintergrundinformationen bekam man in sogenannten Hintergrundkreisen.
Wie aus gut unterrichteten Kreisen bekannt... oder man bekam Hintergrundinformationen, die man nicht veröffentlichen durfte, aber politische Ereignisse besser einordnen konnte.
Die gelbe Karte – war der bekannteste Hintergrundkreis -da durften die Frauen nicht rein. Frauen gründeten daraufhin die lila Karte. Das wurde belächelt, hat sich einen Namen gemacht, so dass auch die Männer mit teilnehmen wollten. Allgegenwärtig war der Sexismus – zB Kohl der „sein Mädchen" Angela Merkel anfasst. Ein weiteres Bonmot aus ihrem Buch: „Ich bin ihr Außenminister, darf ich heute Nacht ihr Innenminister sein?"
Das Buch Hammelsprünge: es ist als Romanform geschrieben – doch sind tatsächliche Begebenheiten Grundlage. Leider haben die Frauen damals nicht miteinander gesprochen.
Auszug aus dem Buch, von einem Mann eingereicht:
Beschreibung einer Redaktionssitzung, wo der Redaktionsleiter regelmäßig sexistische Bemerkungen gegenüber Frauen in der Sitzung äußerte. Als eine Frau ihn auf einen möglichen Fehler hinwies, sagt er zu der Frau: Sie sind so dumm, ihnen sollte man mit einer stumpfen Klinge die Klitoris beschneiden. Niemand hat die Frau unterstützt oder etwas gesagt. Das wäre heute sicher anders.
Das sexuelle Belästigungsgesetz wurde 1994 nach langem Vorlauf verabschiedet. Beauftragter zur Umsetzung war ein Mann – der dann von seinen männlichen Kollegen die Sprüche zu hören bekam, die sonst Frauen zu hören bekommen. Er (Hüppe) stellte fest, dass sexuelle Belästigung keine Ausnahme, sondern eher die Regel war. Falls eine Frau eine Beschwerde einreichte wegen Belästigung, wurde von einem Mann, idR dem Chef entschieden, ob der Beschwerde nachgegangen wird. 'Argumente´ zum Beispiel – der kurze Rock ist eine Aufforderung gewesen zur Belästigung - wurden entgegengesetzt. Erst 2006 wurde mit dem AGG das Gesetz geändert – durch die Gesetzgebung der EU. Seitdem hat sich die Situation für die Frauen erheblich verbessert.
Ein sehr drastisches Beispiel aus dem Buch:
Frau Kosser hat ein Paket mit einem Vibrator erhalten mit dem Zettel – auf gute Zusammenarbeit, möglichst nah. Damals hat sie sich nicht getraut, das öffentlich zu machen. Zum Glück hat sie das Paket in Anwesenheit ihrer Kollegen im Büro geöffnet – sonst hätte man ihr dies vermutlich gar nicht geglaubt.
Danach ging Frau Kosser noch auf die aktuelle Datenlage ein:
Studie Price Waterhaus Cooper: 68% der Frauen haben 2019 zugegeben, dass sie sexualisierte Gewalt erlebt haben (Whatsapp Nachrichten, Dickpics usw.). Studie des Bundes: 22% der weiblichen Führungskräfte sind sexuell belästigt worden. 23% der Frauen haben sich nur beschwert, 1% der Frauen ist den Rechtsweg gegangen. Alle anderen haben sich nicht getraut, etwas zu sagen.
Wie ist es heute? Frau Kosser findet heute ist eine rückläufige Entwicklung zur Gleichheit zu sehen. Junge Frauen haben als Zukunftsvision – studieren, reichen Mann heiraten und zwei Kinder bekommen. Oder Politiker Typen wie Philipp Amthor – die auch in jungen Jahren ein retro Bild antiquierter Männlichkeit der 50er Jahre darstellen. Ein weiterer Punkt sind Einflüsse von kulturell sehr unterschiedlichen Vorstellungen der Parität von Frauen und Männern in Deutschland. Es muss sich erst ein neues Gleichgewicht finden.
Es folgte eine anregende Diskussion.